Geburtstag zu haben

ist heutzutage im Social Media und Web 2.0-Zeitalter (Ist es überhaupt ein Zeitalter? Wohl eher nicht.) eine seltsame Angelegenheit. Natürlich – Geburtstag zu haben ist eine gesellschaftlich anerkannter Feiertag, man feiert sich resp. Lässt sich selbst feiern, obwohl man weder etwas dafür noch dagegen tun kann. Und gewiss ist die große Aufmerksamkeit, die einem zuteil wird, wunderschön, kitzelt das Ego und sagt einem: Oh, sie haben mich doch nicht alle vergessen.

Doch Automatismen trüben das Ego-Boosting: Durch die hochgradige Vernetzung von Adressbüchern mit Kalendern sowie deren Abgleich mit den Datenbanken in sozialen Netzen und der Reminder in Facebook (ja, man muss diese Plattform hervorheben, nicht nur aufgrund der schieren Größe von einer halben Milliarde Mitgliedern, auch die Tatsache, dass ich selbst über 1300 „Freunde“ habe) macht es geradezu verführerisch einfach, insbesondere bei „schwachen Bindungen“ durch einen Geburtstagswunsch Verbundenheit auszudrücken.

Freue ich mich daher über mehr oder weniger persönliche Xing-Nachrichten? Ganz zu schweigen von Standard-Emails mit einem 5-EUR- oder 10%-Rabatt-Gutschein von diversen Shopping-Sites oder einer Einladung von Experteer über 7 Tage gratis Premium-Mitgliedschaft? Ja, doch, ich freu mich darüber – es lässt mich nur auch nachdenken, inwieweit hier tatsächliche freundschaftliche Nähe und (Selbst-) Marketing nicht auseinander gerückt sind.

Es liegt in der Natur des „Like-Button“ von Facebook, dass man Beiträge, die einem gefallen, mit „I like“ unterstreicht – insofern ist ein Geburtstagswunsch von jemandem, der das Gedicht eines anderen „liked“, geradezu mediengerecht konsequent; ähnlich verhält es sich mit einem Retweet eines Geburtstagstweets. Nochmals – und dies ist mir wichtig zu manifestieren: Ich freue mich über jeden einzelnen, der an meinem Geburtstag an mich denkt.

Und gerade weil es so einfach ist – und ich von mir behaupten kann, einen überwältigenden Teil meiner Facebook- (mind. 93%) oder Xing- (mind. 80%) Kontakte persönlich zu kennen –, warum kommen keine derartigen Happy-Birthday-Posts von den <wahren> Freunden oder Personen, die für mich zu bestimmten Lebensabschnitten eine überaus wichtige Rolle spielen oder gespielt haben? Zitat aus einem SMS: „…Mittlerweile ist es ja per SMS direkt persönlich…“

Und doch: Wenn die Währung unserer Zeit (s.o.) <Aufmerksamkeit> heißt, hat mir jeder Gratulant einen kleinen Teil seiner Zeit gewidmet. Ich war für einen Moment die wichtigste Person. Mir galt seine ganze Aufmerksamkeit.

Herzlichen Dank an alle, die mir zu meinem gestrigen 33. Geburtstag gratuliert haben! Ich freue mich wirklich!

  • Twitter: 18 Tweets, davon 2 Retweets
  • Facebook: 174 Pinnwand-Einträge, 8 Messages
  • Xing: 5 Messages
  • E-Mail: 5 persönliche Nachrichten (und unzählige Spams von Shopping-, Community- und anderen Register-Sites)
  • SMS: 10 SMS aufs österreichischen Handy, 31 SMS aufs schweizerische Handy
  • Anrufe: 2
  • Persönliche Glückwünsche: 1 (und 6 weitere zwei Tage zuvor von meiner Familie)
Hofrat
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  1. Fein auf den Punkt gebracht, mir ging es zwei Tage davor ähnlich – die wahre Flut an automatisierten Glückwünschen kommt bei mir aber meist am 1.1., der sich als Geburtstag für alle www-Service-Anbieter, denen ich nicht all zu viel über mich preisgeben möchte, sehr gut eignet.

    Übrigens: Aufgrund deiner klugen Tweets hatte ich gemeint, du müsstest ein paar weise Lenze mehr zählen 😉

  2. Es freut mich ganz besonders, eine von den persönlichen gewesen zu sein :-))) (und eigentlich auch SMS).

    Bussis aus D.C. und bis Weihnachten (ganz persönlich underneath the xmas tree)

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