Tortilla-Chips mag ich gern, nicht erst seit Nicaragua: Klar, frisch aus einer Fritanga natürlich unschlagbar, mit welcher Salsa auch immer, dazu Platanas Fritas, Tajadas Fritas, Maduros und die obligate Bohnenpaste Frijoles… Oder auf dem Huembes im Akkord gebacken, auf offenen Holzöfen, zu kaufen für nichts, und dann als Zuspeise zur Vorspeise in jedem Restaurant… Nica… I'll be back, for sure!
Abgeglitten in eine Zeitzone 8 Stunden vor Europa sprang mich letztens im Discount-Supermarkt eben jene Packung Tortilla-Chips an, Food-Fotos auf dem Cover lecker und ästhetisch und allein das reizte mich zum Kauf. Was bin ich auch beeinflussbar – aber so funktioniert wohl Konsum in unserer westlichen Überflusswelt. Oder Marketing: Bedürfnisse, die niemand hatte, der zu erregen, dann man der Meinung ist, hier und jetzt kaufen zu müssen. Niedere Instinkte. Menschlich.
Ein Fehler, wie sich herausstellte. Jetzt bin ich weder Radikal-Öko noch Ultra-Bio, aber was ich esse, ist mir schon etwas wert, darf über eine gewisse nachvollziehbare Herkunft und soweit als möglich natürliche, um nicht zu sagen, ökologisch-sozial-verträgliche Produktionsbedingungen verfügen, und dann noch fair und sogar nachhaltig gehandelt worden sein. Alles in allem: Ich bin bereit, mehr Geld für gute Lebensmittel auszugeben und ich kümmere mich darum. Nur ein plakatives Beispiel: Das Leben ist doch viel zu kurz für schlechten Mozzarella, oder?
Das Leben ist zu kurz für Kuh- statt Büffelmozzarella.
— Clemens M. Schuster (@hofrat) Mai 29, 2012
Beziehungsweise, um es nochmals ganz klar und deutlich zu sagen:
Nur ums nochmals festzuhalten: Mozzarella di Bufala Campana DOP e da Agricoltura Biologica #haetteaucheinhashtagseinkoennen
— Clemens M. Schuster (@hofrat) Mai 29, 2012
Aber es geht hier ja um etwas anderes: Tortilla-Chips. Mit Chili-Geschmack. Fehler!! Grosser Fehler!!! Zuhause angekommen, gut die Packung gut abgelegen, die Vorfreude gross – mache ich EINEN RIESENGROSSEN Fehler. Ich beginne zu lesen. Auf der Packung, zuerst vorne: Energiebedarf eines Menschen: Eine Portion – es sollen 25 Gramm sein – … STOP: Eine Portion?? Tortilla Chips? Dieses süchtigmachende Knabbergebäck? Fünf-und-zwan-zig-Gramm? Bei einem Packungsinhalt von 300 Gramm wären dies somit 12 Portionen. Aber ich kenne mich: Locker esse ich ein Viertel weg, wenn ich unbewusst nebenher futtere, kanns gut sein, dass danach plötzlich die halbe Packung und mehr weg sind. Also. Sagen wir: Eine Portion sind bei mir – wohlmeinend, zurückhaltend – 100 Gramm, also vier Portionen von dem, was auf der Packung steht. Multipliziert versorge ich mich mit ein paar dieser Chili-Tortilla-Chips mit 24% des gesamten Tagesbedarfs an Energie, 28% an Fett und ebenfalls 28% an Salz. Und dann habe ich sonst noch nichts gegessen oder getrunken. Kein Frühstücksweckerl, kein Vormittagsbrötchen, keine Manner-Schnitten, kein normales Mittagessen, keine Abendessen. Achherrjee…
Aber es kommt noch schlimmer: Ich lese weiter. Auf der Rückseite. Fehler. FEHLER! FEEEEEHLER!!! Warum tut man das? Hätte einem nicht die Kindergartentante oder Volksschullehrerin sagen können, dass Lesen nur unglücklich macht? Hätten mir meine Eltern doch lieber einen Fernseher besorgt statt mir Bücher gegeben. Und dabei hatte ich mich so sehr auf diese Tortilla Chips gefreut…
Nun: Gelesen hatte ich die Zutatenliste auf der Rückseite. Nach der kleinen Enttäuschung mit dem Energietagesbedarf und den doch etwas erstaunlichen Zahlen, was den Salzgehalt betrifft, hätte ich nachdenklich sein können. Ich hätte ja auch schon vorsichtig sein müssen, als es um die Beschreibung dieses „Etwas“ ging: Man beschrieb plötzlich einen „Chili-Mais-Snack mit Chili-Geschmack“. Keine Rede von Tortillas mehr. Offenbar brauchen Tortillas sehr viel geregeltere Zutaten und sollten vor allem frisch sein. Nun, ein Mais-Snack. Mit Geschmack. Nach Chili – immerhin, ich mag scharf.
Nun, was befindet sich also in diesem „Mais-Snack“ aka [A.K.A., AKA, a.k.a., aka, or a/k/a may refer to „also known as“, für die Nicht-Chatter und Nicht-Abkürzungsliebhaber und Nicht-Googler-von-Begriffen-die-sie-nicht-verstehen – eine Serviceleistung zu diesem Blogpost] Tortilla Chips?
- Maismehl 75% (immerhin)
- Sonnenblumenöl 20% (oh, Fett, ja, irgendwas war da: Hochgerechnet auf die gesamte Packung wären dies rund 84% des Gesamttagesbedarfs…)
- Chili-Mischung (Speisesalz, Zwiebelpulver, Maltrodextrin, Hefeextrakt, Gewürze, Dextrose, Knoblauchpulver, Tomatenpulver, Zucker, Säuerungsmittel: Citronensäure, Farbstoffe: Paprikaextrakt, Beetenrot; Aroma)
Hallo? Die „Chili-Mischung“ enthält gar kein Chili? Die Tortillachips sind schon ein Mais-Snack und jetzt auch noch das? Ist denn etwa Chili auf dem Weltmarkt der Gewürze bereits zu teuer, so dass man auf Zwiebelpulver als Schärfungsmittel verwendet? Und Paprikapulver, Tomatenpulver und Beetenrot? Immerhin – es hätte ja auch E120, E122, E123, E124, E162, E163, E172, E180 sein können, wie mich diese Tabelle schrecken lehrt. Aber kein Chili. Ah, das Knoblauchpulver hätte man vielleicht in der Kombination mit dem Zwiebelpulver beim Küssen rausschmecken können – hätte ich mal geküsst statt gelesen… Tomatenpulver… Eigentlich auch pervers: Tomaten sind frisch und saftig und rot und reif und schmecken sonnengereift richtig gut. Auch wenn diese Adjektiva den meisten leider nur aus der Werbung statt aus dem eigenen resp. Mutters Garten bekannt sind, besteht eine Tomate immerhin noch zu 95% aus Wasser. Aber aus der guten Grund werden in der guten Küche aus guten Tomaten gute Fonds reduziert. Aber Pulver?
Dass die Zutatenliste mit der wohlmeinend-juristisch wertvollen Mahnung endet, ist nur mehr ein schwacher Trost:
- Kann Spuren von Milch, Gluten und Sesam enthalten.
Na dann: Mahlzeit. Hatte ich den Enten, Schwänen und Fischen am Limmatufer gewünscht, denen ich diese Packung dann einzeln, Mais-Snack-mit-Chili-Geschmack-Chip für Mais-Snack-mit-Chili-Geschmack-Chip, verfüttert hatte – vielleicht bin ich kein Tierfreund und vielleicht ist ihnen schlecht geworden. Sorry. Ich konnte es selber nicht mehr essen…
jetzt weisst du wie es mir geht. als allergiker lese ich JEDE Packung. viele verstehen nicht warum ich öfters mal ins biohaus gehe. weil ich gerne humus aus humus hätte und nicht aus natürlichen aromen…
ich wünschte mir mehr leute würden mal die packung lesen und gewisse nahrungsmittel boykottieren. wenn ich dir was vorschlagen darf: Das Buch: Die Essensfälscher!
grüässli mona
hmmm, y cada 2 semanas una buena tortilla, hecha en casa y con lomo, chorizo del pais de origen. y un buen vinito. ja, ja, diese chips und die dazugehörende periodentabelle. oh, isst du gerade E120, E122, E123, E124, E162, E163, E172, E180? und trotzdem ertappe ich mich immer wieder beim naschen irgendwelcher chips. der mensch hat immer wieder den tick mit dem falschen chip.