KLEINE ZEITUNG – 16. Juni 2009 | Region Graz | Tribüne | Seite 9
PORTRÄT DES TAGES
Geübt im Runterschlucken
Der brave Othmar Karas (51) begehrte auf. Das konnte nicht gut gehen.
In der Politik ist es nicht anders als im übrigen Leben: Es gibt die Braven und es gibt die Aufmüpfigen, die Streber und die Aufrührer. Die einen, die Umstürzler und Zündler, leben davon, Gott und die Welt in Frage zu stellen. Den anderen, den Angepassten und Sittsamen, käme es nie in den Sinn, an der bestehenden Ordnung zu rütteln. Alles ist, so wie es ist, und das ist gut so.
Othmar Karas ist so einer. Volkspartei, Kirche und Cartellverband. Das sind die Grundpfeiler, auf denen die Welt fußt, in die der heute 51-Jährige am Heiligen Abend 1957 in Ybbs an der Donau hineingeboren wird. Der Vater ist Bezirksschulinspektor, die Mutter Volksschuldirektorin. Am Sonntag liest der Jugendliche in der Kirche die Lesung. Die Kerzen ausblasen darf ein anderer. Es ist Alfred Gusenbauer, Ministrant und späterer Kanzler.
Politische Karriere macht zunächst aber nur der Wohlbehütete. Zuerst als Schülervertreter, dann in der Jungen ÖVP. Als deren Chef wettert Karas gegen Privilegien. Selber hat er neben seinem Abgeordnetengehalt aber eine Versehrtenrente bezogen. Als das auffliegt, muss er gehen.
Die Partei holt ihn erst aus der Versenkung hervor, als sie 1995 einen Generalsekretär braucht. Vier Jahre lang macht er den Job, eher glücklos. Die schwarzen Granden murren. Als sie den Schwiegersohn von Ex-Präsident Kurt Waldheim 1999 nach Brüssel wegloben, geht Karas gerne: Mutterkuhprämien, Fischfangquoten und Feinstaubgesetze werden seine neue Welt. Großer Redner ist er keiner. Aber er ist fleißig und beschlagen. Das wird honoriert. 2004 wird Karas Vizechef der Europäischen Volkspartei.
Er ist jetzt wer in Brüssel, nur zuhause nehmen sie das nicht zur Kenntnis. Karas sei farblos, meckern sie in der Parteizentrale. 2004 setzten sie ihm Ursula Stenzel als Teamchefin vor die Nase, fünf Jahre später ist es Ernst Strasser. Für Karas, den Loyalen, ist das eine Demütigung zuviel. Er rebelliert. Muckt einmal im Leben gegen die eigenen Leute auf – und zieht den Kürzeren.
Das ist bitter für ihn. Aber er wird weitermachen, wird weiter hunderttausende Flugmeilen im Jahr herunterspulen und seinen Sohn Gabriel nur am Wochenende sehen. Er wird auch diese Demütigung runterschlucken.
So einer ist Othmar Karas. STEFAN WINKLER, BRÜSSEL