Schlechte Witze, Outings und Gebrauchtgegenstände: Wenn das ζῷον πολιτικόν stirbt

Das ist nicht witzig - BoldomaticWas ist denn da passiert? Eines der sieben Mitglieder der Schweizer Regierung, des Bundesrates, sagt folgendes:

«Wie viele Gebrauchtgegenstände, die 30 Jahre alt sind, haben Sie noch zu Hause?», wird der Bundesrat Ueli Maurer vom Publikum gefragt. Kurz darauf seine Antwort: «Bei uns sind das nicht mehr viele, ausser natürlich die Frau, die den Haushalt schmeisst.»

Der Zusammenhang ist die bevorstehende Abstimmung der Schweiz über neue Abfangjäger und Kampfjets. Als Eurofighter-leidgeprüfter Österreicher ein deja-vu der besonderen Art, denn die Argumente hierzulande sind noch hahnebüchener und noch an den Haaren herbeigezogener als damals in Österreich. Und die Verbortheit der Militärs in ihre Liebingsspielzeuge hier noch weit weniger lächerlich als in meinem Herkunftsland.

Schlussendlich haben neben all den Kommentaroren und aufgeregten Medienleuten zwei Personen die Debatte auf den Punkt gebracht: Reda Philippe El Arbi und Daniel Menna. Zwei Quotes:

Reda el Arbi auf Facebook (öffentlicher Link):

Auf diverse Anfragen an den Quotenmann zu einem Statement zu Ueli Maurers Frauenwitz:

Der Witz ist nicht lustig, also eigentlich überflüssig.

Aber das sind all die Witze über schwanzgesteuerte , faule und nicht im Haushalt mitarbeitende Männer auch. Sexismus ist kein Vorrecht alter Männer, sondern ein Zeichen der fehlenden Autonomie. Wer andere wegen ihres Geschlechts heruntermacht, zeigt eigentlich nur, dass es sich in seinem eigenen Geschlecht unsicher – oder eben als Opfer fühlt.

Nun, schlechter Humor ist kein Verbrechen, auch bei einem Bundesrat nicht. Schade finde ich, dass es wieder eine Welle der Empörung bei Frauen gibt, die sich damit selbst wieder in eine erbärmliche Opferrolle dergradieren.

Die einzige Antwort auf diesen schlechten, maurerischen Frauenwitz wären lustige Witze über Ueli Maurer..

Daniel Menna auf Facebook (teilöffentlich gepostet, Quote angefragt und bestätigt):

Ich werde mich jetzt outen. Ich werde mich mit diesem Bekenntnis bewusst an den Rand der Gesellschaft begeben. Werde das Risiko eingehen, zum Paria zu werden, verstossen, verachtet. Man wird vermutlich mit dem Finger auf mich zeigen, die Gespräche werden verstummen, wenn ich den Raum betrete, ehemalige Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen werden die Strassenseite wechseln, um mir nicht zu begegnen. Ich hoffe, dass meine Familie nicht in Sippenhaftung genommen wird wegen dem, was ich jetzt äussern werde. Aber irgendwann im Leben eines Mannes kommt der Moment, in dem er Farbe bekennen, in dem er zu sich selbst stehen muss.

Nun also: Ich halte solche Dinge wie Manieren, gutes Benehmen, Achtung gegenüber den Mitmenschen, Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen für erstrebenswert.

Und ich denke, dass ein Mensch, der ein hohes politisches Amt bekleidet, ein Minimum an guter Erziehung an den Tag legen sollte.
Ich weiss, dass das dumm von mir ist. Ich weiss, dass Freundlichkeit und Höflichkeit in dem Landesteil, in dem ich lebe, gemeinhin als Zeichen von Verlogenheit und Heuchelei aufgefasst werden (weil es offenbar hierzulande undenkbar ist, dass man freundlich UND ehrlich sein kann). Aber ich kann leider nicht aus meiner Haut.

Und auch die NZZ am Sonntag nimmt sich in einer Wortbetrachtung dies Themas an:

Ein Bundesrat, der eine Abstimmung zu verlieren droht, geht einen Weg, wie ihn seine politische Heimt seit Jahre vorspurt: Polarisierung, Schenkelklopfer, wir-und-die-andere, auf die Schwachen ohne Lobby, mir-san-mir. Dass sich die Welt weitergedreht hat, ist beim Herrn Maurer und seinen Beratern wohl nicht angekommen. Beim letzten mal waren nur 49.7% der Stimmbürger in der Lage, die Brandstifter zu erkennen. Diesmal hoffe ich auf mindestens 0.4% mehr. Denn es ist schlicht schade, wenn die Totengräber der Konsensdemokratie ein weiteres Leichenbegängnis zu feiern hätten.

PS: Das mit den Witzen von Politikern auf Kosten von Minderheiten ist in der Schweiz leider ein gängiges (Kein-) Stilmittel…

Hofrat
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2 Kommentare

  1. Exzellent auf den Punkt gebracht.
    PS: Ist der Eurofighterschmiergeldskandal eigentlich aufgeklärt oder wird er es jemals sein?7
    PPS: Hast du deinen Anteil gekriegt? 🙂

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