Keine Weihnachtsgeschichte, Teil 1: “Kleine” Blattkritik, die Parkraumüberwacher und der öffentliche Verkehr

Bus Bim Fahrschein Parkschein Foto Kleine Zeitung 24Am 24.12. ist es ein bisschen Glück, ob die Grazer Innenstadt gerappelt voll ist und sich noch die Massen der Verzweifelten durch die Läden stürzen oder ob die BussiBussi-Gesellschaft im Frankowitsch, im Cafe Promenade, im ehemaligen Fink oder neu offenbar auch im Tribeka sitzt und sich BussiBussi, Klatsch&Trasch oder SichSelberSehen (weil in Graz ist das mit dem „Gesehen werden“ nicht so ganz…).

Man führt sich die gewohnte Heilig-Abend-Ausgabe der Kleinen Zeitung zu Gemüte, seit Jahren im selben Wohlfühl-Layout und mit denselben Wohlfühl-Themen und denselben Wohlfühl-Bischofsinterviews und denselben Tipps für die Feiertage. Langweilig in Watte gepackt und abseits jeglicher Relevanz.

Exkurs

Seit Jahren ist das lokale Medium der Steiermark und zT Kärntens und Osttirols, die Kleine Reitzung (…), nicht gerade bekannt für tiefschürfende Analysen und nachhaltige Aussagen zur österreichischen Innenpolitik und Gesellschaft. Wäre dieses Printprodukt ein Radiosender, würde man wohl Adult Contemporary zum gebotenen Content sagen: grosse, farbige Bilder bzw. grosse, farbige Werbeanzeigen, erwartbare Themensetzung und Gestaltung derselben auf den Geschmack eines Massenpublikums hin ausgerichtet – man ist immerhin die grösste Bundesländerzeitung. Wichtig zu wissen: Die Kleine ist im Besitz der Styria Gruper, die wiederum gehört dem Katholischen Pressverein (bzw. 98,33 % der Anteile der AG sind im Besitz der Katholischer Medien Verein Privatstiftung [vormals Katholischer Preßverein Privatstiftung] und 1,67 % sind im Besitz des Katholischen Medien Vereins [vormals Katholischer Preßverein], Quelle), ist also im Besitz der Katholischen Kirche Österreichs und sollte damit wohl gewissen ethisch-moralischen Grundsätzen gehorchen – die Realität sieht seit Jahren anders aus. Ein klassisch durchgemanagter Medienbetrieb, Beteiligungen an Privatradios, Magazinen, Zustelldiensten, Online- bzw. Werbeportalen etc, zwar online angekommen, aber keinesfalls digtal/social/mobile by Design. Nicht das Blatt der Wahl, einzelne Redaktorinnen und Redaktoren ausgenommen.

Exkurs Ende

Ausschnitt Foto Kleine Zeitung 24.12.Kleine Zeitung, 24.12.2013, Abteilung Stadt Graz (das Kleinformat kennt ja keine Bünde), die obligaten Hinweise zu den noch geöffneten Museen und Theatern, mal wieder der Bericht über die Telefonseelsorge mit der Telefonnummer 142 (als ob es das restliche Jahr keine Krisen gäbe, keine Freiwilligen Helferinnen und Helfer tätig wären und man nur zu Weihnachten auch mal auf die dunklen Seiten hinweisen könnte: Vorstand, Chefredaktion und Blattmacher 5, setzen!) und dann die Doppelseite mit den Hinweisen auf die Termine der Christmetten in und um Graz, illustriert mit einem Stockphoto-Kitschbild vom Service Fotolia, obwohl doch die Künsterlin Eva Birnstingl das Titelsujet gemalt hatte. Und schliesslich der Hinweise auf die Fahrzeiten des ÖVs und die Parkzonen in Graz:

Bus & Bim: Letzte Fahrt um 18 Uhr. Gebührenpflicht in den Grazer Parkzonen.
Am heutigen Heiligen Abend fahren die letzten Strassenbahnen und Busse der Holding Graz Linien um 18 Uhr vom Jakominiplatz ab. Ab morgen gilt wieder der normale Ferienfahrplan. Die Schöckl-Seilbahn fährt heute von 9 bis 15 Uh. Die Grazer Nachtbuslinien verkehren in der Nacht von heute auf morgen sowie vom 25. auf den 26. Dezember nicht. Übrigens: In den Blauen und Grünen Zonen gilt am Heiligen Abend, wie auch am Silverstertag, ganz normale Gebührenpflicht von 9 bis 20 Uhr, am Hauptbahnhof von 8 bis 22 Uhr.

Das Lesepublikum staunt nicht schlecht: Die Holding Graz, die ehemaligen Startwerke und städtischen Betriebe, ständig defizitär und verseucht durch gewerkschaftlich-wohlerworbene Rechte und genauso klischeehaft reformunwillig, durch diverse Finanztricks von neoliberalen Heuschrecken und/oder lokalen Nutzniessern verschlimmbessert, haben also für ihrer eigenen Angestellten einen gemütlichen Weihnachtsabend vorgesehen, aber ausgelagerten Parkplatz-Überwacher sieht es düster aus. Umso interessanter die Tatsache, dass Graz seit mehr als zwei Perioden einen bekennenden christlich-sozialen Bürgermeister hat, Siegfried Nagl von der ÖVP und dort eindeutig dem wertkonservativen Flügen zuzuordnen.

Nun verdient die Stadt gut am unerbittlichen Strafzettel-Regime der ausgelagerten Parkraumüberwacher: 1, 2 Minuten über der Parkzeit und das Ticket klebt hinter der Windschutzscheibe. Deren Löhne und Arbeitsbedingungen sind keinesfalls mit denen der GVB-Beamten zu vergleichen. Der Erfolgsdruck ist ebenso ungleich verteilt wie die Arbeitnehmerrechte. Beide Berufsgruppen sind für die Mobilität verantwortlich, beide würden gerne Weihnachten feiern.

Lieber Sigi, liebe Chefs der Holdig Graz, liebe Bereichsleiter der Verkehrsbetriebe und der Parkraumüberwacher: Vielleicht wollen alle eure Angestellte und diejenigen, die für euch ausgelagert die Kohle reinbringen, genauso gemütlich ihren Heiligen Abend verbringen wir ihr selbst. Katholischer Bürgermeister als Chef und katholische Besitzer der Zeitung – euer Pharisärtum, diese Bigotterie und eure Doppelzüngigkeit mag ich nicht. Nehmt das Fest der Geburt Christi ernst und handelt danach. Folklore und Business stehen auf einer andere Seite der Medaille.

Hofrat
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