Immer diese Zufälle – oder: Die Unkreativität der Werber

Mashup. Lob der Kopie. Dirk von GehlenManchmal sind es die kleinen Zufälle und mein Gedächtnis für Musik. Eines der Talente, auf die ich ein klein wenig stolz bin: Klänge, Musikstücke, Tonfolgen zu erkennen, zu speichern und in den unmöglichsten Situationen wiederzuerkennen oder einzelne Sequenzen zuzuordnen.

Und so dudelt nach dem sonntäglichen Fernsehtatort im Hintergrund irgendeine Werbemelodie für ein Auto – erst beim aktiven Zuhören bleibt der „neue Peugeot 2008“ hängen. Die Story des Spots ist natürlich irrelevant, ebenso wie das Auto dazu. Wen interessieren 2013 schon Autos, die nach wie vor mit fossilen Treibstoffen laufen? Alles in allem das Gegenteil von Innovation.

Die Musik dazu ist ein Song von Edward Sharpe & The Magnetic Zeros mit dem Titel „Home“ aus dem Jahr 2010. Ein netter Folk-Song, Mann und Frau und Chor, fast ein bisschen mit Ohrwurm-Charakter, und dann pfeift noch jemand im Hintergrund:

„Home“? Nicht erst beim Titel klingeltes bei mir – im wahrsten Sinn des Wortes: Da war doch 2012 diese innovative (siehe oben) Werbekampagne der Schweizerischen Bundesbahn, wo Mitarbeiter den Werbesong aufnahmen, produziert von den bekannten Hitgaranten Hitmill-Studios von Roman Camenzind. Das klingt dann so:

Na, klingelts? Coming „home“? Und Frau? Und Mann? Und Chor? Nur das Ohrwurm-Pfeifen fehlt ein wenig… Im Zeitalter der Kopie, des Plagiats, der wechselweisen Kopierens sollte man ja nicht verwundert sein, wenn gute Ideen gern aufgegriffen werden? Nur: Wenn die SBB selbst kopiert werden – wir erinnern uns an die Sache mit der Bahnhofsuhr als Uhr eines iPad-Relaunchs -, scheint man nicht gerade zimperlich zu sein. Ob man hier Tantiement an die US-amerikanische Band aus Los Angeles, Kalifornien zahlen? Immerhin wäre damit sogar geographisch ein gewisser Ausgleich geschaffen… Aber immerhin stehen der Komponist, Produzent und Geldverdiener-damit in einer guten Tradition der Wiederverwendung von „Home“: Das Stück lief u.a. in den Fernsehserien Community, Alles Betty!, Gossip Girl und Raising Hope.

Übrigens hatte die Schweizerische Boulevard-Zeitung Blick ein ähnlich gutes Gehör – dass die Story dann wohl nicht weitergeführt wurde, scheint wohl auch an den Inseratenkonflikten zu liegen, die sich unweigerlich daraus ergeben hätten…

Und jetzt? Bleibt mir eine Leseempfehlung:

Dirk von Gehlen (auch auf Twitter: @dvg) publizierte im Herbst 2011 sein Buch „Mashup. Lob der Kopie.“ (#supportyourlocalbookstore). Nun ist mir als klassischem Philologen die Diskussion rund um Imitatio, Aemulatio, Variatio keinesfalls neu, umso lohnender ist die Lektüre angesichts der aktuellen Herausforderungen rund um das Urheberrecht, Leistungsschutzrecht etc.

Hofrat
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