Gut ein Jahr ists her, dass ich den Fehler begangen hatte zu lesen, welche Bestandteile Tortilla-Chips mit Chili-Geschmack haben. Seit dem weiss ich nun nolens volens, dass die so genannte Chili-Mischung aus „Speisesalz, Zwiebelpulver, Maltrodextrin, Hefeextrakt, Gewürze, Dextrose, Knoblauchpulver, Tomatenpulver, Zucker, Säuerungsmittel: Citronensäure, Farbstoffe: Paprikaextrakt, Beetenrot; Aroma“ besteht. Sensibilisiert auf industriell verarbeitet Lebensmittel, wissend, je höher der Verarbeitungsgrad, desto weniger Natürlichkeit, desto mehr Zusätze, desto teurer. Und ja, manchmal tut man es sich an und liest die Zutatenliste, das Kleingedruckte auf der Rückseite, abseits der von Marketing-Agenturen aufpolierten verkaufsfördernden Vorderseiten.
Szenenwechsel: Auf europäischen Flügen bekommen Fluggäste (Euphemismus!) bisweilen Snacks (Euphemismus!) serviert – im besseren Fall, zB auf Niki-Flügen, gabs schon mal ein belegtes Bauernbrot mit Schinken oder Cottage-Cheese, Swiss/Lufthansa/Austrian verteilen Muffins oder Butterbrezln, Airberlin lässt zwischen „süss oder salzig“ entscheiden: Das wäre dann ein Kitkat-Schoko-Riegel oder ein 20-Gramm-Sackerl Chips. Womit wir beim Thema wären: Crunchips (selbstverständlich „Neu! Nur für kurze Zeit!“ und als „Limited Edition“ und „mit bestem Sonnenblumenöl / with finest sunflower oil“) mit der Geschmacksrichtung „American Cream: Honey-Mustard-Flavour/Geschmack“ von Lorenz – Snack World.
Abgesehen davon, dass „American Cream“ wohl nichts wirklich Authentisches zutage bringt – und schon gar nicht die Kombi Honig/Senf, ist der Findingkeit der Produktentwicklungsabteilung von Lorenz zuzuordnen, klingt „American“ immerhin nach „American“, und das sollte wohl reichen für die Beschreibung eines wenig eindeutigen Geschmacks, der sich aber sicherlich gut verkaufen lassen wird.
Wir essen also 20 Gramm „Kartoffelchips mit Honig-Senf-Geschmack“ mit folgenden Zutaten:
- Kartoffeln: immerhin. Aber: Woher, welches Ursprungsland, wo verarbeitet? Welche Sorte?
- Sonnenblumenöl: Wir erinnern uns an das „beste“ bzw. „finest“ auf der Vorderseite. Darf man Fragen stellen, was es denn dazu macht? Etwa: Woher/Ursprungsland? Wo gepresst? Biologisch angebaute Sonnenblumen? Kalt- oder heissgepresst? Extrahiert oder gefiltert? In irgendeiner Disziplin sollte es ja schon das „beste“ / „finest“ sein, oder?
- Zucker: no-na-net-na-na: Hätte ja auch niemand anders erwartet. Schön dazu übrigens die physische Visualisierung des Zuckeranteils in Lebensmitteln, hier nachzusehen.
- Salz: muss ja sein. Von irgendwo müssen die Cholesterinwerte ja kommen.
- Zwiebelpulver: Zwiebelpulver? ZWIEBELPULVER? Wir hatten doch „American Cream“ mit Honig-Senf-Geschmack. Von Zwiebel stand dort nichts – pardon: Zwiebelpulver. Aber wird schon für etwas gut sein, das Zwiebelpulver.
- Honigpulver: Nun, den Schock mit dem verpulverten Zwiebel konnte man binnen eines Beistrichs nicht ganz verarbeiten. Honigpulver. Für Deutschland, wo die Chips hergestellt werden, gibt es genau 4 Lieferanten für Honigpulver, sagt die Seite wlw.de (Wer liefert was). Dann liest man auf der ersten Google-Suche-Seite erstaunt weiter, dass Dr. Oetker ein Patent auf Honigpulver hat. Seit dem 16.1.1992 ist geklärt, dass das „Honigpulver und das Verfahren zu seiner Herstellung“ patentrechtlich geschützt sind. Wären es nicht nur 20 Gramm gewesen, mir würde jedes Chips-Bröserln einzeln wieder hochkommen. Nahrunsmittelpatente – viel entarteter kann sich die menschliche Rasse nicht mehr gegen sich selbst verhalten…
- Aroma (enthält Milch- und Senferzeugnisse): Erschöpft von Zwiebel- und Honigpulver gebe ich auf. Mit letzten Gedanken bleibt mir festzuhalten, dass „Senf“ und „Senferzeugnisse“ wohl nicht dasselbe sind, denn sonst würde es ja so dort stehen.
- färbendes Lebensmittel Kurkumaextrakt: Kurkuma oder gelber Ingwer bzw. Safranwurz oder Gelbwurz ist ein feines Gewürz und findet oft als Färbemittel für Curry (was ja wiederum eine Gewürzmischung ist) seinen Einsatz.
- Hefeextraktpulver: Ich geb gleich auf – echte Fans wissen noch, dass das englische Marmite (eine vegetarische Würzpaste, vor allem in UK und Irland ungebrochen vor allem als Brotaufstrich beliebt) aus Hefeextrakt besteht. Aber eigentlich ist es schon lange ins Gerede gekommen, weil die Lebensmittelindustrie für das böse „Glutamat“ ein neues, sauberes Wort gefunden hat: Hefeextrakt. Und zu guter Letzt…
- Kann auch Gluten enthalten.
Oh, nein, liebe Flugbegleiterin, lieber Einkäufer für die Airline, lieber Hersteller-Vertreter, liebe Produkt-Entwicklungs-Panels, liebe Herstellerfirma: Es hat nicht geschmeckt. DE GUSTIBUS DISPUTANDUM EST!
Ich habe das Industriefressen sooo satt. Mit Sehnsucht denke ich an meine Großeltern, kleine Nebenerwerbslandwirte. Es gab fast nur, was Garten, Feld und Vieh hergaben und das war köstlich. Selbst gebackenes Brot, selbst gekelterter Apfelwein, Gemüse aus dem Garten, dazu selbst gemachte Wurst und Obst nach Jahreszeit. Im Vergleich zu dem, was die Industrie uns heute auftischt, ein Hochgenuss. Merkwürdigerweise sind die Leute heute reicher, leben komfortabler, fressen aber ansonsten den letzten Dreck. Früher dachte ich, De Funes „Brust oder Keule“ sei ein lustiger Film. Heute weiß ich, wir sind auf dem besten Weg in die Tricatel-Welt, munter gefördert von unseren EU-Technokraten und den Lobbyisten von Monsanto und Co. Bei uns zu Hause hat Convenience keinen Platz, meine Kinder sollen lernen, was richtiges, genussvolles Essen und Trinken ist. Ich höre jetzt lieber auf – Aufregerthema!
Eine der besseren Chipstüten, die ich bis jetzt von den Inhaltsstoffen und Geschmack gesehen und gegessen habe, ist Zweifel Paprika. Witzigerweise gibt die Zweifelseite keine Inhaltsstoffe an (http://www.zweifel.ch/de/produkte/chips-snacks/original-chips/original-chips-paprika/). Dafür sind sie hier einzusehen http://www.codecheck.info/suesswaren_snacks/snacknuesse_pistazien/ean_7610095015006/id_327393/Zweifel_Original_Paprika_Chips.pro
Es gibt noch weitere mit ohne „unnützen“ Inhaltsstoffen, doch es muss gesucht werden, bevor man fündig wird.