Generationensolidarität

<Spoilerwarnung: Nicht zu Ende gedachte Gedanken über die Gerechtigkeit>

Angeregt durch einen Beitrag von Ständerat und CVP-Fraktionschef Urs Schwaller – er hielt vor Studierenden der Uni Fribourg einen generalisierten Vortrag über die politisch-wirtschaftlich-gesellschaftliche Situation der Schweiz sowie Ausblicke und Perspektiven lege ich meine einfachen, unausgegorenen und spontanen Gedanken zu einem Detail vor. Dankenswerterweise haben die beiden Studentenverbindungen AKV Alemannia und GV Zähringia, beide im Schw.-StV, dem Schweizerischen Studentenverein, diesen Anlass organisiert; übrigens ist Urs Schwaller selbst Altherr der Zähringer und hört dort auf den Vulgo-Namen „Tartar“.

Auch in Österreich kam es im Zuge des widerrechtlich zur Verfassung vorgelegten Budgets zu massiven Diskussionen über die von Schwaller u.a. dargelegte „Generationensolidarität“: In meiner Heimat wurde u.a. mit dem Begriff der „nicht zu brechenden Vertrauenssicherheit“ argumentiert – eben in dem Maße, wonach gemäß Generationenvertrag die aktuell Beschäftigten die Renten derer in Pension bezahlen. Durch die demographischen Entwicklungen wie auch durch veränderte Gesellschafts- und Arbeitsstrukturen ist dieses System eben auch in der Schweiz nur durch massive Zuschusse resp. Subventionen finanzierbar.

Doch nehme ich – here my bluntly spoken words – den Generationenvertrag beim Wort, hieße es doch, jeweils einer bestimmten Alterskohorte entsprechende Lebenserwartung mit der Pensionshöhe sowie Dauer der Auszahlung zu verknüpfen. Mein Gedanken(bei)spiel:

  • Mein Großvater, Jahrgang 1920, hatte eine statistische Lebenserwartung von vielleicht 70 Jahren; bei einem Pensionsantrittsalter von etwa 60 erhielt er für 10 Jahre Pension. Insofern erhielt er seine einbezahlten Beiträge bis zum Alter von 70 vollständig ausbezahlt. Da er aber 82 Jahre alt wurde – und somit das statistisch zu erwartenden Lebensalter für das Jahr 2001 sogar noch übertroffen hatte dank fortschrittlicher Hochleistungsmedizin, hoher geistiger wie körperlicher Fitness und gutem Lebenswandel, musste die Generation seiner Kinder und Enkel die 12 Jahre offene Lücke steuerfinanziert decken.
  • Mein Vater, Jahrgang 1952, hat derzeit eine statistische Lebenserwartung von 82 Jahren. Demnächst wird er die derzeit kolportierte Lebensarbeitszeit von 40 Jahren erreicht haben und geht vielleicht mit Anfang 60 in Pension. Doch Wunder: Seine einbezahlten Beiträge wurden einerseits bereits für meinen Großvater „verbraucht“, andererseits hat er natürlich aufgrund des Generationenvertrags ebenfalls ein Anrecht auf 20 Jahre Pensionszahlungen – die Hälfte seines Erwerbslebens!
  • Meine statistisch zu erwartende Lebenszeit, ich bin Jahrgang 1977, wird wohl um die 90 Jahre betragen. Gemäß Generationenvertrag habe ich somit eine zu erwartende Pensionszeit von weit mehr als 20, ja mehr als 25 oder sogar 30 Jahren. Hieße dies nicht im Umkehrschluss auf Basis der von mir geleisteten Generationensolidarität und des in Zukunft beanspruchten -vertrags, dass ich wahlweise mehr einzahlen müsste oder die eingezahlten Beträge gestreckt und dadurch prozentual geringer ausbezahlt werden müssten? Klartext: 1. Pensionserhöhungen bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung lassen das geltende System nur schneller einbrechen. 2. Den Generationenvertrag retten kann nur eine Neuberechnung resp. Neubewertung des Faktors Lebenserwartung und damit einhergehende massive Pensionskürzungen.

Worum es mir geht: Gilt das Vertrauen, die sog. Vertrauensgarantie auf den Generationenvertrag doch nur auf Basis der zugrunde gelegten statistischen Lebenserwartung? Dürfen einzelne Personen in ihrer Pension insgesamt durch längeres Leben mehr verdienen als sie selbst je einbezahlt haben resp. sogar mehr verdienen, als sie in ihrer Lebensarbeitszeit je insgesamt verdient haben? Oder gilt die Garantie doch maximal nur auf die Höhe des von mir einbezahlten Betrages – welchen ich mir dann wahlweise monatlich als staatliche Rente oder per Pensionsantritt als Kapitalgrundlage ausbezahlen kann?

Nochmals anders: Hatte mein Großvater das Recht auf Fortzahlung seiner Pension trotz massiv gestiegener Lebenserwartung? Ja, hatte er ein Recht auf Pensionserhöhungen? Hätte er gar eine Garantie darauf gehabt, mehr zu bekommen?

Meine Gedanken führen mich unweigerlich zu einem mindestens 2-, wohl eher dreigliedrigen System. Staatliche Mindestpension, gedeckelt etwa bei einem Faktor 2; dazu betriebliche Vorsorge im Rahmen der Möglichkeiten sowie eigene Vorsorge. Ja, doch: Grundsicherung, bedingungsloses Grundeinkommen, garantierte Mindestpension (aber somit auch garantierte Höchstpension). Denn das Recht auf einen luxuriösen Silverback-Lebensabend hat nichts mit Generationensolidarität zu tun.

To be continued!

Hofrat
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