Kleine Zeitung, 15. Oktober 2008 | Region Graz | Leserbriefe | Seite 40
DEBATTE
ANDREA STIFT
über Burschenschaften als unbekannte Institutionen
Bedenklich „freiheitlich“
Burschenschaften sollten Abgrenzung untereinander betreiben, wenn ihnen an Imagekorrektur liegt.
Abgeordnete der SPÖ protestieren gegen die Berufung des FPÖ-Mandatars Martin Graf zum Dritten Nationalratspräsidenten. Grund ist seine Zugehörigkeit zur rechten Burschenschaft Olympia (in die Medien geraten, weil sie 2005 den Holocaustleugners David Irving zum Vortrag eingeladen hat). Herr Graf soll nun zu seinem Geschichtsverständnis befragt werden. Dass eine derartige Befragung eher zu einer Alibihandlung geraten wird, scheint klar.
Dabei lautet die wichtigste Frage gar nicht, wie Martin Graf zur Geschichte steht. Das kann man sich schon denken – er wird sich wohl kaum zum Gaudium zu einer deutsch-nationalen Burschenschaft bekennen. Vielmehr wäre zu klären, wie es möglich sein kann, dass Burschenschaften in Österreich überhaupt noch als rechtsradikal eingestuft und geduldet werden. Und welche Burschenschaften überhaupt dem rechten Rand zuzuordnen sind.
Diese Vereinigungen geben sich ja nicht gerade diskussionswillig. In der Öffentlichkeit treten sie, abgesehen von Kranzniederlegungen bei Kriegerdenkmälern, kaum in Erscheinung. Man erkennt die jungen und älteren Herrschaften vor allem daran, dass es eben Herrschaften sind, meist mit einem Hang zu bunter Einheitskleidung und Rudelbildung.
Burschenschafter stehen auf Tradition, Heimat und Freundschaft und in ihrem Selbstverständnis scheint es zu liegen, dass sie es nicht nötig haben, sich weiter zu erklären.
Außerdem gehört zu einer ordentlichen Verbindung auch immer ein bisschen Geheimniskrämerei, das fördert den Gemeinschaftssinn.
Die Verharmlosung der Details soll nicht täuschen. Vereinshäuser sind in ganz Graz zu finden und kaum einer weiß, ob man die „Germania“ in der Bergmanngasse oder die „Allemannia“ in der Halbärthgasse nun zum rechten Rand rechnen soll oder nicht.
Beim Versuch, mehr über die Verbindungen zu erfahren, erhärten sich bloß Klischees: auf der offiziellen ARGE-Grazer Burschenschaften-Homepage erfährt man, dass mindestens fünf der acht dort vertretenen Verbindungen den Brauch der Mensur als persönlichkeitsbildend betrachten und die drei Links zu Publikationen sind allesamt einschlägig und bedenklich „freiheitlich“.
Es wäre an der Zeit, dass die Burschenschaften ein wenig Öffentlichkeitsarbeit und Abgrenzung untereinander betreiben, Es sei denn, den Angehörigen dieser Organisationen liegt gar nicht so viel an einer Imagekorrektur.
Doch nur so kann ermöglicht werden, dass radikales Gedankengut, in welche Richtung auch immer, schneller erkannt und beobachtet wird. Mitglieder oder Sympathisanten dann bitte nicht zu staatstragenden Politikern zu machen, nun, das wäre wiederum Aufgabe unseres Staates.
Andrea Stift lebt als Schriftstellerin in Graz