Doktoranden

DerStandard schreibt dazu Folgendes:

„Das Doktoratsstudium kann zur Armutsfalle werden“
Über die Bedingungen unter denen Doktoranden forschen müssen, Selektion und Lebensplanung sprach Wissgott von doktorat.at im derStandard.at-Interview
Während andere ihre erste Eigentumswohnung abzahlen, leben NachwuchsforscherInnen oft in prekären Verhältnissen, kritisert Michael Wissgott von der DoktorandInnen-Plattform doktorat.at. „Es ist paradox, dass jene, die einen großen Anteil der Forschungsarbeit an den Universitäten leisten, dafür auch noch bezahlen müssen“. DoktorandInnen in natürwissenschaftlichen Fächern seien meist mit anderen Problemen konfrontiert, als etwa Geisteswissenschafter. Darüber, dass viele eher für den Professor als für die eigene Dissertation forschen müssen, über Luxus und Selektion sprach er mit Katrin Burgstaller.

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derStandard.at: Soll jeder, der will, ein Doktoratsstudium machen dürfen?

Wissgott: Ja, natürlich. Studierende, die die Mühen eines Doktorats auf sich nehmen, sollten motiviert werden und nicht abgeschreckt. Darüber hinaus wurde in der Lissabon-Strategie ein dringender Bedarf an NachwuchsforscherInnen festgestellt. Gerade auch in Bezug auf die „Exzellenz“-Debatte ist eine große Anzahl an DoktorandInnen erforderlich. Wer eine hohe Spitze will, braucht eine breite Basis.

derStandard.at: Welche Rahmenbedingungen wünschen Sie sich für das Doktoratsstudium?

Wissgott: Zuerst sollten DoktorandInnen von den Studiengebühren befreit werden. Es ist paradox, dass jene, die einen großen Anteil der Forschungsarbeit an den Universitäten leisten, dafür auch noch bezahlen müssen. Mit weiteren einfachen Maßnahmen könnten große Verbesserungen erzielt und eine Einbindung in die Scientific Community gewährleistet werden. DoktorandInnen müssen stärker an den Instituten verankert werden. Uni-Emailadresse, ein Arbeitsplatz am Institut und ein kleines Budget für die Teilnahme an Kongressen, das rasch und unbürokratisch vergeben werden kann, sollte zur Verfügung gestellt werden. Derzeit können viele DoktorandInnen es sich einfach nicht leisten, an wissenschaftlichen Kongressen teilzunehmen.

derStandard.at: Sollen alle DoktorandInnen am Institut angestellt werden?

Wissgott: Die Wahlfreiheit soll weiterhin gegeben sein. Für NaturwissenschafterInnen gibt es mehr Doktorats-Stellen als für GeisteswissenschafterInnen. Obwohl am Institut angestellte DoktorandInnen besser abgesichert sind, tun sich auch für sie spezifische Probleme auf. Oft müssen sie für die Professoren Forschungs- und Administrationsarbeit erledigen. Für die eigene Dissertation bleibt dann wenig Zeit. In jedem Fall darf der Zugang zum Doktoratstudium nicht von der Verfügbarkeit bezahlter DoktorandInnen-Stellen abhängig sein.

derStandard.at: Und welche spezifischen Probleme sehen Sie in den Geisteswissenschaften?

Wissgott: Oftmals fehlt der wissenschaftliche Austausch mit FachkollegInnen. Hier helfen Einrichtungen von DoktorandInnen für DoktorandInnen, wie beispielsweise das Graduiertenzentrum SOWI an der Universität Wien. Dort besteht die Möglichkeit Projekte zu realisieren sowie Know-how und Infrastruktur zu nutzen. Der niederschwellige Zugang und nicht zuletzt die Unabhängigkeit vom universitären Establishment begründen den Erfolg derartiger Initiativen.

derStandard.at: Ist es Luxus, ein Doktoratsstudium zu betreiben?

Wissgott: Es findet auf alle Fälle eine materielle Selektion statt. Einerseits sind da die Studierenden, die es sich leisten können, das Doktoratsstudium Vollzeit zu betreiben. Anderseits jene, die nebenbei arbeiten müssen, mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten. Ein Doktoratsstudium kann auch zur Armutsfalle werden. Nach Beendigung des Studiums ist es nicht einfach, eine Stelle im Wissenschaftsbereich zu bekommen. Während andere ihre erste Eigentumswohnung abzahlen, leben NachwuchsforscherInnen oft in prekären Verhältnissen. Eine Lebensplanung ist unter diesen Umständen kaum möglich. Die Minimalforderung von doktorat.at – ÖH doktorat ist daher Kranken- und Pensionsversicherung für DoktorandInnen.

derStandard.at: Zugangsbeschränkungen für das Doktoratsstudium werden immer wieder diskutiert. Ist es nicht auch eine Art von Selektion, dass man erst einmal einen Betreuer oder eine Betreuerin finden muss?

Wissgott: An der Uni Wien sind mir keine Fälle bekannt, in denen jemand, der ein Doktoratsstudium machen möchte, Schwierigkeiten hatte, einen Betreuer zu finden. Die Anforderungen sind hoch, insofern findet auch eine Selbstselektion statt. Anders ist das etwa an der WU Wien. Dort hört man öfters, dass Leute Probleme haben, Betreuer zu finden. Zugangsbeschränkungen zu fordern, allein aus dem Grund, weil die Universität nicht ausreichend Ressourcen für die Betreuung zur Verfügung stellt, kann nicht im Sinne der Forschung und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sein.(Katrin Burgstaller/derStandard.at, 31. Jänner 2008)
Zur Person

Michael Wissgott ist ein Sprecher der DoktorandInnenplattform doktorat.at und schreibt an seiner Dissertation im Fach Philosophie.

Komment@r: DoktorandInnen müssen dankbar sein
Forschung für die Professoren, massenhaft Prüfungskorrekturen und Ghostwriting – DoktorandInnen sind vielseitig einsetzbar – Von Katrin Burgstaller
Wer in Österreich ein Doktoratsstudium betreiben kann, muss dankbar sein. Dankbar dafür, dass er oder sie einen Betreuer oder eine Betreuerin gefunden hat. Dafür, dass man vielleicht ein paar Sonderkonditionen an den Bibliotheken herausgeschlagen hat. Möglicherweise geht sich auch noch das eine oder andere Stipendium aus, vorausgesetzt natürlich man macht nicht schon als Berufstätige/r das große Geld.

Und wer an einem Institut eine DoktorandInnen-Stelle gefunden hat und für die Dissertation auch noch Geld bekommt, der ist ein echter Held. Da gilt es gleich doppelt und dreifach dankbar zu sein. Je nach Vertrag entstehen dann unterschiedliche Rechte und Pflichten. Wobei die Betonung eher auf „Pflichten“ liegt.

DoktorandInnen, die ihre Dissertation an den Universitäten oft im Zuge einer Anstellung als „Wissenschaftliche MitarbeiterIn in Ausbildung“ schreiben, dürfen nicht selten auch gleich Forschungsarbeit für die Professoren erledigen. Massenhaft Prüfungskorrekturen, als Ghostwriter Skripten und Vorträge erstellen – dankbare DoktorandInnen sind vielfältig einsetzbar.

Natürlich – die JungforscherInnen sollen und müssen in die Forschung und Lehre eines Institutes eingebunden sein. Aber das muss in einem ausgewogenen Maß geschehen. Damit sie für ihr eigenes Projekt noch Zeit, Energie und Nerven haben.

Über 80 Prozent der Studierenden im Doktorat sind während des Semesters erwerbstätig, fast 60 Prozent arbeiten Vollzeit, das ergab die aktuelle Erhebung zur sozialen Lage der Studierenden. Der Großteil des Budgets das DoktorandInnen zur Verfügung haben, wird aus eigener Erwerbstätigkeit bestritten. Wer also ein Doktoratsstudium betreibt – egal ob angestellt oder extern – nimmt große Mühen auf sich. Daran, dass diese Mühen auch einmal angemessen honoriert werden, wagen viele ohnehin nicht zu denken. Soziale Absicherung, angemessene Rahmenbedingungen, Wertschätzung und faire Arbeitsbedingungen müssen aber für die jungen ForscherInnen dieses Landes selbstverständlich sein. (Katrin Burgstaller/derStandard.at, 1. Februar 2008)

Links

http://derstandard.at/?id=3207473
http://derstandard.at/?id=3205296

Hofrat
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